Das CO₂-Problem des Betons ist der Zement
Die Bauindustrie boomt und mit ihr die Nutzung von Beton. Doch der darin verbaute Zement ist nicht gerade klimafreundlich – vor allem in seiner Herstellung. Zwar gibt es erste umweltfreundlichere Alternativen, doch diese stellen Forschung und Industrie bisher vor mehr Fragen als Antworten.
Autor: Mirko Wirch
Bei anspruchsvollen Bauten in die Höhe wie Brückenpfeilern, die lange halten müssen, wird auch in Zukunft konventioneller Beton genutzt werden. Quelle: freepik

Dr. Frank Winnefeld arbeitet als Zementexperte an der Empa. Quelle: Dr. Frank Winnefeld
Ob Haus, Brücke, Tunnel oder Firmengebäude – all diese Bauten haben eines gemeinsam: Sie bestehen zu einem grossen Teil aus Beton.
Die Dokumentation «Beton 2030» der Betonsuisse, einer Interessensvertreterin der Zement- und Betonindustrie, schreibt folgendes auf seiner Website über den Baustoff: «Durch seine multifunktionale Vielseitigkeit wurde Beton zum meistverwendeten Baumaterial der Welt.» In erster Linie liegt das, so «Beton 2030», an der Belastbarkeit des Materials. «Kaum ein anderer Baustoff erfüllt ähnlich hohe Anforderungen an die Belastbarkeit.». So weit, so gut.
Doch der Stoff, aus dem hierzulande praktisch alle Bauten erstellt worden sind, ist nicht gerade klimafreundlich. Genauer gesagt, ist es ein wesentlicher Bestandteil des Betons – der Zement. Dr. Frank Winnefeld ist Experte für Zementchemie an der Eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt (Empa) und stellt klar: «Zement macht etwa 70 bis 90 Prozent des CO₂-Anteils des Betons aus.» Doch warum ist der Zement so umweltschädlich?
Bestandteile des Zements und Brennstoff als Problem
«Zement wird aus Mergel, einem Gemisch aus Kalk und Ton, hergestellt - wobei der Kalk chemisch gebundenes CO₂ enthält», erklärt Winnefeld. Um aus den Ausgangsmaterialien Zement herstellen zu können, müssen diese bei 1450 Grad Celsius gebrannt werden.
Für den Brennvorgang wird heute meist ein fossiler Brennstoff, wie beispielsweise Kohle, genutzt. Alleine der Brennstoff mache bereits ungefähr 30 Prozent des CO₂ im Zement aus, sagt Winnefeld. «Bei der Verbrennung der Materialen treibt dieser Prozess das chemisch gebundene CO₂ aus dem Kalk heraus und gelangt in die Umwelt. Dieser Vorgang macht zirka 60 Prozent des CO₂ im Zement aus», so der Experte weiter. Die restlichen rund zehn Prozent fallen dann auf weitere Bestandteile, wie zum Beispiel die benötigte Elektrizität.
Die Masse macht es aus
Betrachtet man den Zement alleine, beinhalte dieser ungefähr 600 bis 800 Kilogramm CO₂ pro Tonne. Der fertige Beton beinhalte am Ende nur noch ungefähr 100 Kilogramm CO₂ pro Tonne, so Winnefeld. Im Vergleich mit anderen Baumaterialien, wie Stahl oder Aluminium, sei das relativ wenig. «Das Problem bei Zement, beziehungsweise am Ende beim Beton, ist die grosse Menge, die gebraucht und verbaut wird», sagt Winnefeld.
Was heisst das konkret in Zahlen? Der Experte erklärt: «Die Schweizer Zementproduktion lag 2022 laut dem Jahresbericht von Cemsuisse, dem Verband der Schweizerischen Zementindustrie, bei rund vier Millionen Tonnen. Die weltweite Zementproduktion lag 2022 bei rund vier Milliarden Tonnen. Das sind rund ein bis anderthalb Kubikmeter Beton pro Person auf der Welt pro Jahr.»
Alternative Materialen als Brennstoff
Ein Ansatz, den CO₂-Anteil in der Produktion zu senken, seien, anstelle der fossilen Brennstoffe, der Einsatz von Alternativen wie Altöle, Tiermehl oder auch Reifen, sagt Winnefeld. So könnte der CO₂-Austoss beim Verbrennen der Materialen zur Gewinnung von Zement um rund 60 Prozent verringert werden.
Gemäss «Cemsuisse» lag der Anteil an alternativen Brennstoffen im Jahr 2020 bei 69,1 Prozent, wie aus dem Faktenblatt «Roadmap 2050 – Klimaneutraler Zement als Ziel» hervorgeht. Doch Winnefeld sagt auch: «In der Schweiz hat man das Potenzial der alternativen Brennstoffe grösstenteils ausgereizt. Weltweit gibt es noch viel Luft nach oben.»
Doch der Einsatz von alternativen Brennstoffen stellt die Herstellung von Zement laut Winnefeld vor allem vor zwei Probleme: «Einerseits könnte es bei alternativen Brennstoffen vorkommen, dass bestimmte Nebenelemente im Zement landen, die dann die Eigenschaften des Zements beeinflussen können (Stabilität und Langlebigkeit). Zum anderen sind die Mengen der verfügbaren und geeigneten Brennstoffe zur Herstellung von Zement schlicht nicht so gross ist, wie sie sein müssten.»
CO₂-Speicherung im Beton
Ein weiterer Lösungsansatz für das Problem des CO₂-Ausstosses bei der Herstellung von Zement, an dem aktuell geforscht wird, ist die Speicherung von CO₂ im Beton. In der Schweiz gibt es verschiedene Unternehmen, die diese Art der Betonherstellung praktizieren. Eines davon ist Neustark, einem Spin-Off der ETH Zürich. Es arbeitet seit 2019 an diesem Thema. Ein weiteres Beispiel ist die Firma Eberhard Bau in Kloten, welche den sogenannten Zirkulit-Beton herstellt und auch das Ziel hat, das CO₂ im Beton zu speichern.
«Bei der CO₂-Speicherung geht es darum, zum Beispiel nach Abbruch eines alten Gebäudes den alten Beton und die darin enthaltenen Calciumverbindungen zu nutzen. Dabei wird das CO₂ wieder aufgenommen und danach im neuen Beton wieder eingesetzt», erklärt Winnefeld.
Die Empa arbeite zusammen mit der ETH Zürich an einem Projekt namens «DemoUpCARMA», wie Winnefeld sagt. «Dabei wird der Vorgang der CO₂-Speicherung durchgeführt. «Durch diese Art der CO₂-Speicherung können bis zu zehn Kilogramm CO₂-Emissionen pro Kubikmeter Beton eingespart werden.»

Die Produktion von Zement stösst viel CO₂ in die Atmosphäre aus und schadet so dem Klima, Quelle: freepik
CO₂-negativer Zement als umweltfreie Lösung
Eine weitere Idee ist die Herstellung eines CO₂-negativen Zementes. Winnefeld erklärt: «Dafür nimmt man einen Rohstoff, der CO₂ binden kann. Geeignet dafür sind natürliche Gesteine mit Magnesiumverbindungen wie zum Beispiel Olivin oder auch Serpentin.» Das Prinzip dieses CO₂-negativen Zementes sei, das Magnesium aus den Magnesiumverbindungen zu entnehmen und es anschliessend zu carbonatisieren. Daraus würde dann ein CO₂-negativer Zement entstehen.
Und diesbezüglich gibt es gute Neuigkeiten, wie Winnefeld sagt: «Wir forschen seit sechs Jahren an dieser Methode und haben mittlerweile festgestellt, dass man diese Zementart für die Herstellung eines Betons verwenden kann, der eine ähnliche Festigkeit aufweist, wie der herkömmliche Beton.»
Ganz ohne konventionellen Zement geht es nicht
Die Forschungsbreite und die Ideen für einen umweltfreundlichen Beton ist gross und es gibt bereits viele Lösungsansätze. Ganz auf den konventionellen Beton verzichten könne man jedoch noch nicht. Winnefeld: «Es wird dabeibleiben, dass man auch in Zukunft für strukturell anspruchsvolle Bauten - zum Beispiel einen Brückenpfeiler - auf den konventionellen Zement setzt.» Grund ist die benötigte Stabilität, die bisher nur dieser Zement garantiert.
Und wie sieht Winnefeld die grundsätzliche Zukunft des Betons und des Zementes? «Ich bin davon überzeugt, dass es mehrere Lösungen zur Herstellung von CO₂-armem Zement geben muss», sagt er. Und da die Produktion von Zement und am Ende auch von Beton schon allein aus Transportgründen regional beschränkt ist, wird es wichtig sein, auf der ganzen Welt verschiedene Standorte dafür zu haben.»